Bereits seit Jahren wirbt der Deutsche Hauswirtschaftsrat e. V. (DHWiR) auf politischer Ebene für eine Zurückdrängung der Schwarzarbeit im haushaltsnahen Bereich sowie eine bessere Fachkräftesicherung durch haushaltsnahe Dienstleistungen. Im Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ haben CDU/CSU und SPD die Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen in Form eines Familienbudgets als Vorhaben benannt. Darauf haben wir unsere Forderungen abgestimmt. Das Positionspapier wurde im Juni 2025 überarbeitet.
Der DHWiR im Kontext
Der Deutsche Hauswirtschaftsrat als der Zusammenschluss von Akteuren in der Domäne Hauswirtschaft übt die politische Interessenvertretung aus. In dieser Funktion sind wir Ansprechpartner für Politik und Gesellschaft, Partner für die Institutionen der Berufsbildung sowie für Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Bereits seit Jahren werben wir auf politischer Ebene für eine Zurückdrängung der Schwarzarbeit im haushaltsnahen Bereich sowie eine bessere Fachkräftesicherung durch haushaltsnahe Dienstleistungen. Im Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ haben CDU/CSU und SPD die Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen in Form eines Familienbudgets als Vorhaben benannt. Das Familienbudget soll nach unserem Verständnis die Bezuschussung legaler haushaltsnaher Dienstleistungen ermöglichen. Durch Entlastung im Alltag soll die Fachkräftebasis als entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands gesichert werden und die Vereinbarkeit von Care-Arbeit, Familie und Beruf gesteigert werden.
Bestandsaufnahme
Schwarzarbeit vs. legale Angebote: Nach seriösen Schätzungen werden ca. 90 Prozent aller haushaltsnahen Dienstleistungen in Deutschland als Schwarzarbeit erbracht. Der Ausfall bei den Steuereinnahmen wird auf 3,4 bis 8,8 Milliarden Euro und bei der Sozialversicherung auf 7,6 bis 19,8 Milliarden Euro jährlich geschätzt.[1] Haushaltsnahe Dienstleistungen werden am Schwarzmarkt zu einem Preis von 15 bis 23 Euro pro Stunde erbracht. Dienstleistungsangebote bei Agenturen mit sozialversicherten Beschäftigten liegen im bundesweiten Durchschnitt bei 42 Euro.[2] Entsprechend groß ist der Anreiz illegale Dienstleistungen nachzufragen.
Fachkräftesicherung durch Vereinbarkeit: Fast fünf Millionen Frauen im erwerbsfähigen Alter, häufig mit hoher Qualifizierung, sind in Deutschland aufgrund der Unvereinbarkeit von Erwerbs- und Care-Arbeit nicht erwerbstätig. Zahlreiche Studien und das Modellprojekt „Fachkräftesicherung über die Professionalisierung haushaltsnaher Dienstleistungen“ in Baden-Württemberg haben gezeigt, dass sich mit einem Zuschuss- und Gutscheinsystem für haushaltsnahe Dienstleistungen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern lässt und dadurch wichtige Fachkräfte ihre Beschäftigung konstant halten oder sogar ausweiten können. Im Durchschnitt wünschen sich Haushalte eine Entlastung im Haushalt von 3 Stunden pro Woche. [3]
Forderungen des Deutschen Hauswirtschaftsrates
Der Deutsche Hauswirtschaftsrat fordert die Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Familienbudgets. Das Familienbudget entspricht dem seit längerer Zeit geforderten Zuschuss- und Gutscheinsystem. Für eine erfolgreiche Umsetzung sind aus unserer Sicht folgende Punkte zu berücksichtigen:
1. Staatlich finanziertes Familienbudget bzw. Gutscheine für Privathaushalte
Position: Der Deutsche Hauswirtschaftsrat fordert durch das Familienbudget eine Bezuschussung professioneller Alltagshilfe in Höhe von 50 Prozent der Dienstleistungskosten. Eine Reduzierung der Schwarzarbeit findet nur dann statt, wenn für private Haushalte keine oder eine geringe Preislücke zwischen legalen und illegalen Leistungen besteht, da dann die Vorteile einer legalen Dienstleistung (z. B. Versicherung, Krankheitsvertretung usw.) überzeugen.
Insgesamt hält der Deutsche Hauswirtschaftsrat ein jährliches Familienbudget von 2.000 Euro pro Haushalt für ausreichend. Bei einer Förderhöhe von 50 Prozent können damit haushaltsnahe Dienstleistungen im Gesamtwert von 4.000 Euro pro Jahr eingekauft werden. Somit werden bei marktüblichen Preisen ca. 1,8 Stunden pro Woche gefördert, womit dem Bedarf vieler Haushalte zur Hälfte entsprochen wird.
Zusätzlich schlägt der Deutsche Hauswirtschaftsrat vor, dass bestimmte Zielgruppen (z.B. Alleinerziehende, Geringverdienende) einen Zuschuss von bis zu 100 Prozent erhalten. Ansonsten würden diese Zielgruppen das Familienbudget nicht abrufen können. In Belgien wurden innerhalb des dort bestehenden Systems von Dienstleistungsgutscheinen bereits gute Erfahrungen in der Unterstützung bestimmter Zielgruppen gesammelt. Dort erhalten Eltern, die selbständig tätig sind, unentgeltlich Gutscheine für 105 Dienstleistungsstunden pro Jahr.
Die Investitionen in das Familienbudget führen durch Verdrängung der Schwarzarbeit zu
Rückgewinnen. Die staatlichen Investitionskosten fließen zu ca. 50 Prozent zurück an den Staat in Form von Lohnsteuer, Sozialabgaben, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Diese Zahl berücksichtigt noch nicht die Einnahmen durch weitere positive volkswirtschaftliche Effekte: Ausweitung der Arbeitszeit von Fachkräften, höhere Konsumausgaben, Umsatzsteuereinnahmen und geringere Altersarmut bei Frauen.[4]
2. Familien und ältere Menschen als Zielgruppen
Laut Koalitionsvertrag sollen „Familien mit kleinen Kindern und/oder pflegebedürftigen Angehörigen mit kleinen und mittleren Einkommen“ das Familienbudget erhalten.
Position: DerDeutsche Hauswirtschaftsrat begrüßt die im Koalitionsvertrag benannten Zielgruppen und fordert zusätzlich eine Ausweitung auf ältere Menschen. Haushaltsnahe Dienstleistungen ermöglichen es älteren Menschen den häufigen Wunsch länger im eigenen Haus zu leben zu erfüllen. Gleichzeitig führt der Vorschlag zu Milliardeneinsparungen für die Pflege- und Krankenkassen, da die ambulante und präventive Versorgung zu Hause im Vergleich zu stationären Settings deutlich geringere Kosten mit sich bringt.
3. Arbeitgeberfinanziertes Familienbudget bzw. Zuschüsse für Beschäftigte
Position: Der Deutsche Hauswirtschaftsrat fordert die Möglichkeit für flankierende steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse und schlägt vor, in Anlehnung an den Kinderbetreuungszuschuss (§ 3 Nr. 33 EStG) eine Regelung für haushaltsnahe Dienstleistungen zu schaffen. In Deutschland würden ca. 52 Prozent der Unternehmen ihren Beschäftigten Zuschüsse anbieten, insbesondere für Angestellte mit Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen.[5] Diese Bereitschaft gilt auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Durch dieses Instrument können dringend benötigte Fachkräfte in den Unternehmen gewonnen und gehalten werden. In Frankreich wird eine solche Bezuschussung bereits erfolgreich umgesetzt. Arbeitgeber können dort jedem Beschäftigten steuerfreie Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen in Höhe von bis zu 2.431 Euro pro Jahr gewähren.
Die Rückgewinne entsprechen 1:1 dem Verzicht auf Steuereinnahmen auf die Arbeitgeberzuschüsse.6
4. Vorgaben für Dienstleistungsunternehmen
Position: Der Deutsche Hauswirtschaftsrat fordert eine Koppelung des Familienbudgets an sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und Qualitätsstandards. Hierdurch wird eine hohe Qualität für die Haushalte gewährleistet, einheitliche Vorgaben für alle Dienstleistungsunternehmen geschaffen und gute Arbeitsbedingungen sichergestellt. Orientierung können Konzepte des Kompetenzzentrums Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher Dienstleistungen (PQHD) sowie die DIN Norm 77009 bieten.
5. Attraktivitätssteigerung der Berufsbilder und Imagekampagne
Laut Koalitionsvertrag soll zur Attraktivitätssteigerung der Berufsbilder im haushaltsnahen Bereich eine Anerkennungsoffensive gestartet und Quereinstiege ermöglicht werden.
Position: Quereinstiege im Bereich der Hauswirtschaft werden in der Praxis bereits heute gelebt. Eine Förderung berufsbegleitender Qualifizierungsmodelle kann Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern den Zugang zu einem anerkannten Berufsabschluss erleichtern und die Qualität bei haushaltsnahen Dienstleistungen sichern.
Gleichzeitig muss eine Imagekampagne zur Aufwertung haushaltsnaher Dienstleistungen durchgeführt werden, um mehr Arbeitskräfte für die Tätigkeit zu begeistern und auch Kundinnen und Kunden von legalen Dienstleistungen zu überzeugen. Das Kompetenzzentrum Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher Dienstleistungen (PQHD) hat bereits eine Imagekampagne in Modellregionen umgesetzt. Der Deutsche Hauswirtschaftsrat hat die Imagekampagne übernommen. Hierfür müssen jetzt öffentliche Mittel bereitgestellt werden, um ein bundesweites Ausrollen zu ermöglichen.
6. Weitere wichtige vorbereitende Maßnahmen
Position: Der Deutsche Hauswirtschaftsrat fordert seitens der Politik eine frühzeitige und klare Kommunikation zum geplanten zeitlichen Ablauf bei der Einführung des Familienbudgets. Die vorbereitenden Maßnahmen (z. B. Personalgewinnung, Schulung) und Investitionen (z. B. Arbeitsmittel, Räumlichkeiten) seitens der Dienstleistungsunternehmen bedürfen einer Vorlaufzeit. Des Weiteren müssen die Agenturen für Arbeit für das Thema sensibilisiert werden. Dringend müssen weitere Qualifizierungsangebote geschaffen werden, um den Bedarf an Fachkräften decken zu können. Standards für Qualifizierungsangebote liegen mit dem Referenzrahmen „Modulare (Teil)Qualifizierung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Hauswirtschaft“ bereits vor.[6] Zudem braucht es Maßnahmen, die es heute illegal arbeitenden Personen und illegal beschäftigenden Haushalten erleichtern, die Arbeitsverhältnisse in reguläre Beschäftigung zu überführen.
gez.
Ursula Schukraft, Präsidentin, und Peter Hammer, Sektionssprecher
Quelle: Deutscher Hauswirtschaftsrat
Direktlink zum aktuellen Positionspapier als pdf:
Positionspapier-Haushaltsnahe-Dienstleistungen (Stand: Juni 2025)
Anschrift
Deutscher Hauswirtschaftsrat
Charlottenstr. 16,
10117 Berlin
Telefon 0160 – 93391732
post@hauswirtschaftsrat.de
www.hauswirtschaftsrat.de
Quellen
[1] Enste/Anger 2023: IW Kurzbericht Nr. 67 & Enste 2017: IW Report 9/2017.
[2] Der Preis setzt sich aus dem Arbeitnehmerbruttolohn (ca. 15 Euro), Arbeitgeberabgaben, Gemeinkosten (z.B. Leitungskräfte, Auto, Räumlichkeiten), Unternehmensgewinn und 19 Umsatzsteuer zusammen.
[3] IAW 2019: Endbericht – Fachkräftesicherung über die Professionalisierung haushaltsnaher Dienstleistungen & Prognos 2019: Haushaltsnahe Dienstleistungen.
[4] Prognos 2019: Haushaltsnahe Dienstleistungen.
[5] Prognos 2019: Haushaltsnahe Dienstleistungen.
[6] Kompetenzzentrum PQHD/Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft (dgh) 2020.