Einschätzungen und Forderungen des Deutschen Hauswirtschaftsrates.
Bereits seit vielen Jahren werben wir auf politischer Ebene für eine stärkere Förderung haushaltsnaher und familienunterstützender Dienstleistungen. Im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP die Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen vereinbart. Zusätzlich hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mehrfach in verschiedenen Medien die Umsetzung des Vorhabens angekündigt.
Bestandsaufnahme
Nach Schätzungen werden ca. 75 bis 90 Prozent aller haushaltsnahen Dienstleistungen in Deutschland schwarz erbracht. Viele private Haushalte, insbesondere Familien, Alleinerziehende und Personen mit pflegebedürftigen Angehörigen wünschen sich eine Entlastung im Haushalt – im Schnitt ca. 3 Stunden pro Woche. Zahlreiche Studien und das Modellprojekt „Haushaltsnahe Dienstleistungen“ in Baden-Württemberg haben gezeigt, dass sich mit einem Zuschuss- und Gutscheinsystem die Schwarzarbeit bekämpfen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern lässt.
Bereits heute gibt es Dienstleistungsunternehmen, die ein breites Angebot an haushaltsnahen Dienstleistungen anbieten. Angelernte und qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten bei diesen derzeit einen Arbeitnehmerbruttostundenlohn in Höhe von ca. 13 bis 15 Euro; für Fachkräfte auf Leitungsebene liegt der Betrag bei mindestens 22 Euro und häufig deutlich höher. Vor diesem Hintergrund ist es unrealistisch, Arbeitskräfte zum geplanten Mindestlohn von 12 Euro zu finden, da es heute schon eine große Herausforderung ist, offene Stellen zu den gängigen Gehältern zu besetzen.4
Die Kosten einer Dienstleistungsstunde bei einem Unternehmen mit sozialversicherten Beschäftigten liegen heute bei ca. 34 Euro inklusive 19 Prozent Umsatzsteuer. Dieser Preis setzt sich aus dem Arbeitnehmerbruttolohn, Arbeitgeberabgaben, Gemeinkosten (z.B. Leitungskräfte, Auto, Räumlichkeiten) sowie Unternehmensgewinn zusammen. Dem gegenüber stehen Schwarzmarktpreise von schätzungsweise 12 bis 16 Euro pro Stunde.
Der Deutsche Hauswirtschaftsrat begrüßt ausdrücklich die vorgeschlagene Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen über ein Zulagen- und Gutscheinsystem. Für eine erfolgreiche Umsetzung sind bei der konkreten Ausgestaltung aus unserer Sicht folgende Punkte zu berücksichtigen:
1. Zielgruppen und schrittweise Einführung
Laut Koalitionsvertrag sollen zunächst Alleinerziehende, Familien mit Kindern und Personen mit zu pflegenden Angehörigen von der Förderung profitieren. Schrittweise sollen dann alle Haushalte in Deutschland Zuschüsse erhalten können.
Position: Der Deutsche Hauswirtschaftsrat begrüßt die stufenweise Einführung, da diese den schrittweisen Aufbau des Marktes für haushaltsnahe Dienstleistungen ermöglicht. Neben den im Koalitionsvertrag genannten Gruppen könnten auch ältere Menschen ohne Pflegegrad im ersten Schritt eine Förderung erhalten. Bei dieser Personengruppe besteht häufig der Wunsch mit Unterstützung zu Hause zu leben und somit ein großer Bedarf an Dienstleistungen, dem häufig aufgrund der Einkommenssituation nicht entsprochen werden kann.
2. Staatlich finanzierte Zulagen bzw. Gutscheine für Privathaushalte
Laut Medienberichten sollen private Haushalte einen Zuschuss in Höhe von 40 Prozent der Dienstleistungskosten und einen Betrag von maximal bis zu 2.000 Euro pro Jahr erhalten.
Position: Der Deutsche Hauswirtschaftsrat hält die Zuschusshöhe für nicht ausreichend und fordert einen Zuschuss in Höhe von 50 Prozent der Dienstleistungskosten. Bei der bislang geplanten Bezuschussung von 40 Prozent entfiele bei den marktüblichen Preisen auf den Privathaushalt ein Eigenanteil von ca. 20 Euro pro Stunde. Der Eigenanteil liegt damit deutlich über dem Wert einer illegalen Dienstleistungsstunde in Höhe von ca. 12 bis 16 Euro. Eine Bekämpfung der Schwarzarbeit findet nur dann statt, wenn für private Haushalte keine oder eine geringe Preislücke zwischen legalen und illegalen Leistungen besteht, da dann die Vorteile einer legalen Dienstleistung (z.B. Versicherung, Krankheitsvertretung usw.) überzeugen. Insgesamt hält der Deutsche Hauswirtschaftsrat den jährlichen Gesamtbetrag von 2.000 Euro pro Haushalt für ausreichend. Bei einer Förderhöhe von 50 Prozent können damit haushaltsnahe Dienstleistungen im Gesamtwert von 4.000 Euro pro Jahr gefördert werden. Somit werden bei marktüblichen Preisen ca. 2,3 Stunden pro Woche gefördert, womit dem Bedarf vieler Haushalte entsprochen wird.
Zusätzlich schlägt der Deutsche Hauswirtschaftsrat vor, dass bestimmte Zielgruppen (z.B. Alleinerziehende, Geringverdiener) einen Zuschuss in Höhe von bis zu 100 Prozent erhalten. Diese Personengruppen können häufig keinen oder nur einen sehr geringen Eigenanteil tragen. In Belgien hat man innerhalb des dort bestehenden Systems von Dienstleistungsgutscheinen bereits gute Erfahrungen in der besonderen Unterstützung bestimmter Zielgruppen gesammelt. Dort erhalten selbstständigen Eltern unentgeltlich Gutscheine für 105 Dienstleistungsstunden pro Jahr.
3. Arbeitgeberfinanzierte Zulagen bzw. Gutscheine für Privathaushalte
Laut Koalitionsvertrag soll die Möglichkeit für flankierende steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für haushaltsnahe Dienstleistungen gewähren, geschaffen werden.
Position: Der Deutsche Hauswirtschaftsrat begrüßt die Möglichkeit für flankierende steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse und schlägt vor, in Anlehnung an den Kinderbetreuungszuschuss (§ 3 Nr. 33 EStG) eine Regelung für haushaltsnahe Dienstleistungen zu schaffen. In Deutschland würden ca. 52 Prozent der Unternehmen ihren Beschäftigten auf jeden Fall oder wahrscheinlich Zuschüsse anbieten, insbesondere für Angestellte mit Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen. Diese Bereitschaft gilt auch für kleine und mittelständische Unternehmen. In Frankreich hat man mit solch einer Bezuschussung bereits gute Erfahrungen gemacht. Arbeitgeber können dort jedem Beschäftigten steuerfreie Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen in Höhe von bis zu 1.830 Euro pro Jahr gewähren.
4. Vorgaben für Dienstleistungsunternehmen
Laut Medienberichten sollen die Zulagen und Gutscheine nur bei zertifizierten Unternehmen eingelöst werden, die sozialversicherungspflichtig beschäftigen.
Position: Der Deutsche Hauswirtschaftsrat begrüßt die Zertifizierung von Dienstleistungsunternehmen, da hierdurch Qualitätsstandards für die Haushalte gewährleistet, einheitliche Vorgaben für alle Dienstleistungsunternehmen geschaffen und gute Arbeitsbedingungen sichergestellt werden. Ebenfalls wird die Koppelung der Förderung an sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausdrücklich befürwortet. Ausnahmen bei der Sozialversicherungspflicht sollen zumindest anfangs für Solo-Selbständige bei entsprechender Altersvorsorge und weiteren sozialen Absicherungen gelten. Der Deutsche Hauswirtschaftsrat empfiehlt ein dreistufiges Zertifizierungskonzept, wozu das Kompetenzzentrum Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher Dienstleistungen (PQHD) bereits Ideen zusammengetragen hat. Die erste Zertifizierungsstufe sollte niedrigschwellig gestaltet sein und aus einer Selbstverpflichtung bestehen, die mind. 51 Prozent sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und die Einhaltung fachlicher sowie gesetzlicher Standards erfordert. Nach einer Übergangszeit von einem Jahr sollten Unternehmen gezwungen sein, die zweite Zertifizierungsstufe abzuschließen, die durch eine externe Prüfinstanz erfolgt, weitere Standards bei Qualität, Organisation und Kundenmanagement beinhaltet sowie zu einer Absenkung der Umsatzsteuer führt. Die Kosten für die externe Zertifizierung sollten so gestaltet werden, dass diese auch für kleine Unternehmen finanzierbar sind. Eine dritte Zertifizierungsstufe sollte Unternehmen optional als Marketinginstrument ermöglicht werden und nach den Kriterien der DIN SPEC 77003 und 77004 erfolgen.
5. Imagekampagne
Position: Eine Förderung der Nachfrage nach haushaltsnahen Dienstleistungen muss mit einer Imagekampagne einhergehen. Bereits heute stehen Unternehmen in diesem Bereich vor der Herausforderung, genügend und geeignete Beschäftigte zu finden, um die hohe Nachfrage bedienen zu können. Da der Mangel an Personal vor allem in einem negativen Image von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten begründet ist, braucht es Maßnahmen zur Aufwertung. So könnten nicht nur potenzielle Fachkräfte für sozialversicherte Beschäftigungsverhältnisse gewonnen, sondern auch Kundinnen und Kunden von legalen geförderten Dienstleistungen überzeugt werden. Mit der Imagekampagne sollten die Vorteile der Legalisierung gegenüber der weitverbreiteten Schwarzarbeit im hauswirtschaftlichen Bereich hervorgehoben werden. Imagekampagnen sind für diese beiden Zielgruppen dringend erforderlich, um die notwendige Basis für eine erfolgreiche Förderung zu schaffen. Das Kompetenzzentrum Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher Dienstleistungen (PQHD) hat zur Umsetzung einer Imagekampagne bereits eine Expertise anfertigen lassen.
6. Weitere wichtige vorbereitende Maßnahmen
Position: Der Deutsche Hauswirtschaftsrat fordert seitens der Politik eine frühzeitige und klare Kommunikation zum geplanten zeitlichen Ablauf bei der Einführung des Zuschusssystems. Die vorbereitenden Maßnahmen (z.B. Personalgewinnung, Schulung) und Investitionen (z.B. Arbeitsmittel, Räumlichkeiten) seitens der Dienstleistungsunternehmen bedürfen einer Vorlaufzeit. Ein gesicherter zeitlicher Ablauf ist daher für die Unternehmen wichtig und für eine reibungslose Einführung der Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen unverzichtbar.
Des Weiteren sollten die Agenturen für Arbeit frühzeitig für das Thema sensibilisiert werden und dringend weitere Qualifizierungsangebote geschaffen werden, um den Bedarf an Fachkräften decken zu können. Wichtige Standards für Qualifizierungsangebote sind im Referenzrahmen „Modulare (Teil)Qualifizierung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Hauswirtschaft“ festgehalten.
Außerdem sollten weitere Maßnahmen ergriffen werden, die es heute illegal arbeitenden Personen und illegal beschäftigenden Haushalten deutlich erleichtern, die Arbeitsverhältnisse in reguläre Beschäftigung zu überführen.
gez. Sigried Boldajipour, Präsidentin des Deutschen Hauswirtschaftsrats und Peter Hammer, Sektionssprecher „Haushaltsnahe Dienstleistungen“
Deutscher Hauswirtschaftsrat e. V.
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Der DHWiR im Kontext
Der Deutsche Hauswirtschaftsrat als der Zusammenschluss von Akteuren in der Domäne Hauswirtschaft übt für diese die politische Interessenvertretung aus. In dieser Funktion sind wir Ansprechpartner für Politik und Gesellschaft, Partner für die Institutionen der Berufsbildung sowie für Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Download: Positionspapier: Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen (unterschrieben, inkl. Quellenangaben)