Stellungnahme des Deutschen Hauswirtschaftsrats (DHWiR) und der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft (dgh) zum Gesetzesentwurf zur Stärkung der Pflegekompetenz (Pflegekompetenzgesetz – PKG) – Stand: 23. Juni 2025 des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
Berlin, 11. Juli 2025: Das Bundesgesundheitsministerium hat den Referentenentwurf zum Pflegekompetenzgesetz (PKG) in die Verbändeanhörung gegeben. Der Referentenentwurf ist inhaltlich ähnlich mit dem Kabinettsentwurf, den die rot-grüne Minderheitsregierung im Dezember 2024 noch nach dem Ampel-Aus verabschiedet hatte. Der Deutsche Hauswirtschaftsrat hat hierzu eine gemeinsame Stellungnahme geschrieben, Sie finden diese auf unserer Homepage.
Allgemeine Vorbemerkung
Pflege braucht Hauswirtschaft – und zwar professionell!
Nach wie vor wird die professionelle Hauswirtschaft in politischen Entwürfen ignoriert, obwohl sie ein elementarer Bestandteil der pflegerischen Versorgung ist. Der vorliegende Referentenentwurf zum Pflegekompetenzgesetz verkennt erneut, dass hauswirtschaftliche Leistungen keine netten Extras sind, sondern unverzichtbare Bestandteile ganzheitlicher Versorgung – gesetzlich verankert im SGB XI.
Hauswirtschaft kommt vor Pflege – wer das übersieht gefährdet Versorgungsqualität und treibt die Kosten!
Der Unterstützungsbedarf beginnt in der Realität nicht mit körperbezogenen Pflegehandlungen, sondern mit der Sicherung des Alltags: Ernährung, Hygiene, Ordnung, Lebensqualität. Ohne diese Basis greifen pflegerische Maßnahmen zu kurz – oder kommen überhaupt erst nicht zum Einsatz, weil der Verbleib in der Häuslichkeit nicht mehr möglich ist.
Die hauswirtschaftliche Unterstützung ist in vielen Fällen existenziell für den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit: Schon 2002 wird der Wunsch nach hauswirtschaftlicher Unterstützung noch vor Notrufzentrale oder Pflege genannt (GfK 2002, zit. nach Weinkopf 2005, 7). In einem durch das Bundesfamilienministerium geförderten Papier heißt es entsprechend wörtlich: „Zunächst zeigt sich Unterstützungsbedarf im Alltag, bei der Haushaltsführung und Mobilität“ (ArbeitGestalten 2020, 2).
Dennoch gibt es aktuell deutlich zu wenig Unternehmen, die hauswirtschaftliche Unterstützungsdienste anbieten, so dass der Verbleib in der angestammten Häuslichkeit für viele Betroffene erschwert wird oder sie gar in eine stationäre Einrichtung wechseln müssen.
Dass Pflegefachpersonen hauswirtschaftliche Leistungen „mitbedienen“ sollen ist nicht nur ein Qualitätsrisiko, sondern Ausdruck struktureller Missachtung der Hauswirtschaft als Fachdisziplin.
Wer wirklich Pflege stärken will muss die Hauswirtschaft endlich als das behandeln, was sie ist: systemrelevant, kompetent, vorausgreifend – und wirtschaftlich klug.
Zur Begrifflichkeit:
Wer unter “Pflege” alles subsumiert – Leistungen, Profession, Berufsbilder – verschleiert die Zusammenhänge, verwischt Verantwortlichkeiten und verhindert echte Lösungen.
Wir fordern deshalb, die Begrifflichkeiten im Referentenentwurf entsprechend zu ersetzen – wenn die Leistung „Pflege“ im Sinne des SGB XI gemeint ist, ist konsequent von pflegerischer und hauswirtschaftlicher Versorgung zu sprechen. Ist allein die Profession „Pflege“ gemeint, muss ggf. die Profession Hauswirtschaft ergänzt werden.
Des Weiteren schlagen wir vor, statt von pflegebedürftigen Menschen von Menschen mit Hilfe- oder Unterstützungsbedarf zu sprechen, um den gesamten Menschen im Blick zu haben und nicht nur den kranken Menschen.
Ebenso wäre es sinnvoll, statt von Pflegenden/Pflegefachpersonen von Betreuungs- und Versorgungspersonal zu sprechen, um alle im Pflegeprozess benötigten Kompetenzen aufzunehmen und eine Kompetenzpartnerschaft zu betonen.
Zu Problem und Ziel:
Die im vorgelegten Entwurf genannten Ziele tragen wir als Vertretung der Hauswirtschaft mit und setzen uns für die genannten innovativen Lösungen ein.
Um dem auch hier dargelegten Fachkräfteengpass in der Pflege entgegen zu wirken, ist es nicht nur sinnvoll sondern auch sinngemäß, alle anfallenden Tätigkeiten im gesamten Feld von Prävention, Pflege und Betreuung auf die dort jeweils nötigen Kompetenzen zu überprüfen und diese dann gezielt einzusetzen. Es gilt zu erfassen, was zu tun ist, um möglichste effizient und effektiv Menschen mit Hilfebedarf zu versorgen und zu betreuen.
„Da erfolgreiche Prävention einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung der Zahl älterer Patientinnen und Patienten sowie Pflegebedürftiger hat, sollen mit dem vorliegenden Entwurf zudem wichtige Schritte in Richtung einer präventiven Ausrichtung des Versorgungssystems vorgenommen werden.“
Dies kann nur gelingen, wenn Unterstützung vor Pflegebedürftigkeit installiert und refinanziert wird – hier sind vor allem hauswirtschaftliche Unterstützungs- und Aktivierungsleistungen ausschlaggebend.
An vielen Stellen wurde bereits festgestellt, dass Unterstützungsbedarf vor Pflegebedürftigkeit steht und hier ein eindeutig präventiver Ansatz ist, um Pflege noch lange hinauszuschieben (s. o.).
Obwohl der Gesetzentwurf der Prävention bereits auf der ersten Seite breiten Raum gibt, wird die Lösung durch hauswirtschaftliche Unterstützung im Weiteren nicht genannt – was wir sehr bedauern. Wir bitten darum, dies nachzubessern.
Auch innovative Versorgungsformen im Quartier sowie innovative und quartiernahe Wohnformen brauchen hauswirtschaftliche Unterstützung in hohem Maße. Die bedarfsgerechte und regional abgestimmte Versorgung pflegebedürftiger Menschen zu stärken, gelingt nur mit hauswirtschaftlicher Versorgung und Betreuung, insbesondere im ambulanten, aber auch im stationären Setting.
Zum vorliegenden Entwurf haben wir folgende Anmerkungen im Einzelnen:
§ 5:
Zur Stärkung der gesundheitlichen Ressourcen und zur Unterstützung der Fähigkeiten der Pflegebedürftigen sowie zur Umsetzung dieser Vorschläge gehört die Stärkung von Alltagskompetenzen, die Unterstützung bei der Haushaltsführung und die Hilfe durch haushaltsnahe Dienstleistungen. Dies muss gesondert benannt und aufgeführt werden.
§ 7a:
Um einen individuellen Versorgungsplan mit den im Einzelfall erforderlichen Sozialleistungen und gesundheitsfördernden, präventiven, kurativen, rehabilitativen oder sonstigen medizinischen sowie pflegerischen, hauswirtschaftlichen und sozialen Hilfen zu erstellen,… braucht es neben der Pflegefachperson und Anderen auch dringend einer hauswirtschaftlichen Fachkraft. Nur sie kann die Bedürfnisse und Bedarfe von Menschen mit Hilfebedarf in Bezug zu ihrem Alltag und der Haushaltsführung, zu hauswirtschaftlicher Versorgung und Betreuung richtig und fachgerecht einschätzen. Aus diesem Grund fordern wir die Beteiligung einer hauswirtschaftlichen Fachkraft auch bei der Pflegeberatung.
§ 8, Abs 8:
Bei der Förderung von Maßnahmen der betrieblichen Integration von Pflege- und Betreuungspersonal aus dem Ausland ist auch das hauswirtschaftliche Personal aufzunehmen. Gerade die hauswirtschaftlichen Mitarbeitenden verbringen oft viel Zeit mit den Menschen mit Pflegebedarf und sollten in der Lage sein, die Anliegen zu verstehen und zu kommunizieren.
§ 11, Rechte und Pflichten der Pflegeeinrichtungen:
Die Pflegeeinrichtungen pflegen, versorgen und betreuen die Pflegebedürftigen, die ihre Leistungen in Anspruch nehmen, entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinischpflegerischer Erkenntnisse.
Die Versorgung sollte insbesondere auch nach dem allgemein anerkannten Stand der hauswirtschaftlichen Erkenntnisse erbracht werden, denn Hygiene, Essen und Trinken, genauso wie Sicherheit, Wäscheversorgung und Beschäftigung, unterliegen hauswirtschaftlichen Standards. Nur so kann eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde gewährleistet werden.
Wir bitten deshalb im Folgeabschnitt §11 (1a) die Hauswirtschaft explizit miteinzubeziehen.
§ 36 (4), Kooperationen:
Die Kooperation mit qualifizierten hauswirtschaftlichen Dienstleistern ist rechtlich möglich, fachlich geboten und sozialpolitisch wünschenswert. Wir bitten daher das Ministerium, bei der Ausgestaltung von Verordnungen und Förderprogrammen sicherzustellen, dass:
- sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorausgesetzt wird,
- Vergütungsunterschiede systematisch reduziert werden
- und die Gleichwertigkeit hauswirtschaftlicher Leistungen in stambulanten Wohnformen anerkannt wird.
§ 40,7:
Bei der Beurteilung von wohnumfeldverbessernden Maßnahmen ist die Hauswirtschaft als kompetente Expertin einzubeziehen, um die richtigen Maßnahmen zu ermitteln oder vorzuschlagen.
In § 45 unterstützen wir die Stellungnahme unseres Mitglieds Bundesverband haushaltsnaher Dienstleistungs-Unternehmen (BHDU).
Der in §45b festgelegte Entlastungsbetrag von derzeit 131 Euro müsste für eine beabsichtigte verstärkte Prävention vor der Pflege dringend angepasst und erhöht werden, damit mehr Angebote zur Unterstützung im Alltag genutzt werden können.
Fünfter Abschnitt § 45 c:
Wir halten die Unterstützung durch ehrenamtliches Engagement in der Haushaltsführung nicht für zielführend und fordern im Sinne der Menschen mit Hilfebedarf den Aufbau von professioneller Unterstützung insbesondere in der hauswirtschaftlichen Versorgung und Betreuung.
§ 113c (3):
Wir weisen darauf hin, dass ein personenzentrierter und kompetenzorientierter Personaleinsatz im Sinne der Ziele des § 113c nur dann möglich ist, wenn auch die Hauswirtschaft mit ihren Kompetenzen betrachtet wird sowie den Aufgaben und Tätigkeiten entsprechend eingesetzt wird und freuen uns, dass im Folgenden die Hauswirtschaft im Katalog mit aufgenommen wurde.
§ 118, Beteiligung von Interessenvertretungen:
Wir bitten den Deutschen Hauswirtschaftsrat als maßgebliche Organisation der hauswirtschaftlichen Berufe und als Interessenvertretung in die Beratungen einzubeziehen.
Direktlink zur Stellungnahme:
Stellungnahme des Deutschen Hauswirtschaftsrats (DHWiR) und der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft (dgh) zum Gesetzesentwurf zur Stärkung der Pflegekompetenz (Pflegekompetenzgesetz – PKG) – Stand: 23. Juni 2025 des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
Verfasser:
Deutscher Hauswirtschaftsrat e. V.
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E-Mail: post@hauswirtschaftsrat.de
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