Grande Dame der Haushaltswissenschaften

Nachruf an Prof. Rosemarie von Schweitzer

Am 26. September 2020 ist Frau Professorin Rosemarie von Schweitzer, die über unsere Landesgrenzen hinweg anerkannte Architektin der Haushaltswissenschaften im Alter von fast 93 Jahren gestorben. Diese Nachricht erfüllt uns mit großer Betroffenheit und tiefer Trauer.

Wir nehmen Abschied von einer außergewöhnlichen Persönlichkeit und Wissenschaftlerin, die ein interessantes und bewegtes Leben geführt hat. Ihre Familiengeschichte ist beeindruckend und verwoben mit einer Vielzahl von zeitgeschichtlichen und politischen Ereignissen. So besteht beispielsweise eine direkte Verbindungslinie zwischen ihr und der Urgroßmutter in der 4. Generation, der Frankfurterin Sophie von Brentano, verheiratet mit Franz Maria von Schweitzer.

Sophie von Brentano führte in Frankfurt das kalte Büffet ein, ohne Zweifel eine innovative Neuerung des haushälterischen Handelns, von der auch Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe höchst angetan war und deshalb keine Einladung in das Haus der Allesina, genannt von Schweitzer, ausgelassen haben soll. So hat es jedenfalls ihr langjähriger Kollege und verehrter Freund, Prof. Hermann Schubnell in seiner Laudation zu 65. Geburtstag von Rosemarie v. Schweitzer berichtet.

Ihre leibliche Mutter verlor sie bereits im Alter von 2 Jahren, was sie nie ganz verwunden hat. Ich erinnere mich daran, dass sie einen schmalen goldenen Armreif von ihr eigentlich immer trug. Ihr Vater heiratete erneut und bedingt durch die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs mussten der Wohnort der Familie und die Schulen der Kinder oft gewechselt werden.

Nach dem Krieg begann Rosemarie von Schweitzer in Hessen eine Ausbildung zur Lehrerin der landwirtschaftlichen Haushaltskunde. Es folgten zwei Jahre Landfrauenschule und zwei Semester pädagogisches Studium mit anschließendem Referendariat. Nach einigen Jahren Berufspraxis entschloss sie sich im Alter von 30 Jahren an der Universität Frankfurt Soziologie, Philosophie, Erziehungswissenschaften und Agrarökonomie zu studieren, eine durchaus eigenwillige Mischung.

Sie wechselte dann an die Universität Bonn, wo sie 1962 mit einer philosophischen Arbeit zum Dr. phil. promoviert hat. Sie reüssierte im Anschluss als Regierungs-Landwirtschaftsrätin, Dozentin und Beraterin am Hessischen Landwirtschaftlichen Seminar im Schloss Rauischholzhausen, einer Einrichtung der Justus-Liebig-Universität Gießen. Dort habe sie ihre Vorgängerin, Helga Schmucker im wahrsten Sinne des Wortet „aufgestöbert“, erzählte sie mir einmal. Als Frau von Schweitzer von dieser erfuhr, wie schwer sich die Herren Professoren der Landwirtschaftlichen Fakultät in Gießen Anfang der 1960er Jahre damit getan hatten, einen akademischen Studiengang in diesem Fach einzurichten und welche Geringschätzung der komplexen Arbeit des Alltags von Frauen im Privathaushalt dahinter lag, war das jedenfalls für die junge und kämpferische Regierungs-Landwirtschaftsrätin eine Herausforderung, die sie gern annahm. Sie tauschte 1965 ihren komfortablen und idyllisch gelegenen Sitz als Dozentin und Beraterin im Schloss Rauischholzhausen gegen das vergleichsweise bescheidene Ambiente des Instituts für Wirtschaftslehre des Haushalts und Verbrauchsforschung im Alten Steinbacher Weg ein, wurde Assistentin von Frau Schmucker und habilitierte drei Jahre später. In ihrer Habilitationsschrift nimmt sie in profunder Weise theoretische Elemente ihres Philosophie- und Soziologiestudiums auf und verknüpfte diese mit praktischen Problemen der Haushaltsanalyse und -planung. Damit war der Grundstock für eine Theorie des haushälterischen Handelns gelegt, die sie nach ihrer Berufung intensiv ausdifferenziert und in einer Modellskizze des haushälterischen Handels mit verschiedenen Umfeldebenen verdichtet hat. Generationen von Ökotropholog*innen haben diese Theorie „inhaliert“ und konnten während ihres Studiums die prägende Erfahrung generieren, dass sich diese Theorie als ein überaus erkenntnisträchtiger konzeptioneller Bezugsrahmen für verschiedenste aktuelle Frage- und Problemstellungen erweist.

Rosemarie von Schweitzer war jedoch nicht nur wegen ihres wissenschaftlichen Sachverstandes in Fachkreisen anerkannt. Ihre couragierten Beiträge waren in hochschulpolitischen Zusammenhängen ebenso gefragt wie in der Politikberatung, im Wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen oder im Kuratorium der Stiftung Der Private Haushalt, dem sie viele Jahre vorstand. Sie erhielt viele Auszeichnungen, zu denen sie sich stets eine erfrischende Distanz bewahrt hat. So schrieb sie mir kurz vor meiner Berufung 1993:

„Ich soll demnächst irgendein Bundesverdienstkreuz erhalten – hoffentlich ergeht es mir nicht wie Herrn Stolpe und die Medienwelt macht aus mir eine Anhängerin von Helmut Kohl. Aber mit 90 oder 100 kann einem das auch herzlich egal sein.“

Darüber hinaus engagierte sie sich aber auch mehrere Jahrzehnte im Internationalen Verband der Hauswirtschaft (IVHW) und in der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft (dgh). Dabei beeindruckte sie mit ihrer Fähigkeit, quer zu denken, eingefahrene Gleise zu verlassen, an vermeintlich unerschütterlichen Denkschablonen zu rütteln, druckreif zu formulieren und immer wieder auch zukunftsweisende Themen zu platzieren. Der dgh steht heute als Präsidentin Frau Professorin Angelika Sennlaub vor, die Frau von Schweitzer noch als aktive Emerita im Institut erlebt hat und die unseren Fachverband ganz in ihrem Sinne führt.

Ich bin ihr zum ersten Mal 1991 in Leipzig auf einer Anhörung der Sachverständigenkommission in Vorbereitung des Fünften Familienberichts der Bundesregierung, deren Vorsitz sie übernommen hatte, begegnet. Es sollte ein für meine Berufsbiographie entscheidendes Zusammentreffen werden. Wenige Monate nach dem Fall der Mauer sahen sich die Sachverständigen vor die wahrlich große Herausforderung gestellt, ihr ursprüngliches Konzept nach diesem historischen Ereignis neu zu justieren, und nunmehr ein Gutachten zur Lage von „Familien und die Familienpolitik im geeinten Deutschland“ zu erstellen, das am Ende den maßgeblich von Frau von Schweitzer geprägten Untertitel „Zukunft des Humanvermögens“ trug. Wirtschaftsminister und auch das Kanzleramt, waren, so schreibt sie später in ihren „Erinnerungen an die ersten 40 Jahre Ökotrophologie“, „gegen unseren Untertitel. Man (n) wollte natürlich statt des Humanvermögens die Zukunft des Humankapitals – des Geldwertes der arbeitenden Bevölkerung – im Titel haben… Kinder, Kranke, Alte sowie die Alltagsversorgung waren eine ‚Privatsache‘. Doch wir gaben als selbständige Kommission geschlossen nicht nach.“

Zu dieser Zeit arbeitete ich am Deutschen Jugendinstitut in München und war vor dem Hintergrund meiner ostdeutschen Biographie und aufgrund meiner familiensoziologischen Spezialisierung als Expertin eingeladen worden. Nach meinem Vortrag kam Frau von Schweitzer auf mich zu und fragte nach meiner beruflichen Perspektive in München. Meine Antwort überzeugte sie offensichtlich nicht, denn sie legte mir unumwunden nahe, mich doch unbedingt auf die Stellenausschreibung für ihre Nachfolge zu bewerben. „Das könnte ich mir sehr gut vorstellen“, waren ihre Worte. Und diese Chance habe ich dann auch entschlossen ergriffen und konnte mich am Ende gegen andere Mitbewerber*innen durchsetzen.

Wir haben uns nach meiner Berufung 1994 allwöchentlich in Pohlheim, entweder bei ihr oder bei mir getroffen, später gern auch im Kloster Arnsburg, wo ich bis zu meiner Emeritierung mit meinem Mann Arthur, mit dem sie sich sehr gut verstand, gewohnt habe. Es gab jedes Mal so viel zu diskutieren und zu besprechen – und das immer auf Augenhöhe, oft bei einem guten Glas Rotwein. Ich übernahm ihren ehrwürdigen Lehrstuhl an der Justus-Liebig-Universität in Gießen mit vollem Elan, war allerdings nunmehr als Mitglied einer agrar-, ernährungs- und haushaltswissenschaftlichen Fakultät ziemlich unerwartet und hautnah mit einer frappierenden Arroganz von auf den freien Markt fixierten Hardcore-Ökonomen und Ernährungswissenschaftler*innen konfrontiert. Es ging vor allem um Lebensmitteltechnologien, um Biochemie und um agrar-industrielle Produktionsmethoden, unterlegt mit dem Mantra einer wachstumsfixierten Ideologie, denen das Wort geredet wurde. Diesen Herren (und Damen) war es vollkommen rätselhaft, warum es denn in Zukunft einen hauswirtschaftlichen Lehrstuhl wie den meinen überhaupt noch geben sollte und was unsere Forschung eigentlich mit Wirtschaft zu tun hat. Und mir als Person trauten viele diese Aufgabe sowieso nicht zu, denn ich kam ja aus den neuen Bundesländern. Viele Kolleg*innen haben es (wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand) nicht nachvollziehen können, warum Frau von Schweitzer auf eine „eher links“ denkende Nachfolgerin aus Ostdeutschland setzte, die nach der Wiedervereinigung zudem noch zur Vorsitzenden des Bundesverbandes der Deutschen Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung „Pro Familia“ gewählt wurde. Ohne die mentale Unterstützung durch Frau von Schweitzer hätte ich die ersten beiden Jahre wohl kaum gut bewältigt. Wir signalisierten nicht zuletzt mit ihrer Abschieds- und meiner Antrittsvorlesung in einem gemeinsamen Kolloquium, dass zwischen uns kein Blatt passt. Sie ermutigte mich immer wieder, gab mir entscheidende Hintergrundinformationen und integrierte mich zügig in ihre sozialen Netzwerke. Bis zu diesem Zeitpunkt meiner Berufsbiografie war mir nie so klar geworden, welche Geringschätzung Mainstream-Ökonomen, aber auch Naturwissenschaftler*innen unseren haushaltswissenschaftlichen und feministischen Themen gegenüber an den Tag legten. Meine Studentinnen wurden oft als „H-Mäuschen“ tituliert, die gewissermaßen eine gehobene hauswirtschaftliche Ausbildung durchlaufen, um sich dann unter den Agrarstudenten oder den angehenden Ernährungswissenschaftlern einen heiratsfähigen Kandidaten zu angeln, dem sie später Kinder schenken und den Haushalt führen.

Mit meinem ostdeutschen Hintergrund kam mir das ziemlich daneben vor. Studierten junge Frauen in dieser interdisziplinär zusammengesetzten Fakultät tatsächlich, um später ausschließlich unbezahlte Sorgearbeit im Privaten zu übernehmen? Ich wollte das nicht glauben. Mein Ehrgeiz war geweckt. Ich wollte kluge und kritische junge Frauen ausbilden, die feministischen Biss und beruflichen Ehrgeiz entwickelten, aber deshalb nicht auf Kinder und eine glückliche Partnerschaft verzichten sollten. Ich selbst war als Soziologin wegen erheblicher politischer Differenzen kurz vor dem Fall der Mauer in den Westen gegangen. Die unbezahlte Sorgearbeit hatte ich als Forschungsstudentin in Ostberlin mit einem Kleinkind (noch) nicht als ein systemisches Problem empfunden. Die Alltagsrealität von Müttern mit beruflichen Ambitionen sah im Westen Deutschlands völlig anders aus. Rosemarie von Schweitzer, hatte mir den Auftrag überantwortet, ihr hauswirtschaftliches Erbe nach der deutschen Wiedervereinigung zu modernisieren und selbstbewusst meine biografisch geprägten Erfahrungen einzubringen. Dazu gehörte, die Zeitbudgetforschung auszubauen und mich in Kooperation mit dem Statistischen Bundesamt an der Diskussion um das Satellitensystem „Haushaltsproduktion“ zu beteiligen, vor allem aber die Verknüpfung von Berufs- und Familienarbeit zum Thema zu machen und damit zusammenhängende haushaltsökonomische Fragen gleichstellungspolitisch voranzubringen. Ich konnte auch in der Politikberatung Fuß fassen, was ganz in ihrem Sinne war.

Auf der ersten europäischen Tagung des Internationalen Verbandes für Hauswirtschaft (IVHW) zum Thema „Europa: Herausforderungen für die Alltagsbewältigung: Hauswirtschaft als Basis für soziale Veränderungen“ lernten wir beide 1996 die Schweitzer Theologin Ina Praetorius kennen. Sie beeindruckte uns, indem sie den Wirtschaftswissenschaften die Leviten las, die gern für ihren Gegenstandsbereich reklamieren, nichts anderes zu tun, als menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, aber faktisch auf den von jeder Fürsorgearbeit frei gestellten „Homo Oeconomicus“ fixiert sind, der am Markt eigennützig seine Interessen verfolgt und nach Gewinnmaximierung strebt – die unbezahlte und unterbezahlte erwerbsförmige Sorgearbeit als elementare Voraussetzung allen wirtschaftlichen Handeln allerdings vorsätzlich ausblendend. Wir erkannten eine tiefe Ideenverwandtschaft. Ich begriff damals auch, dass ich von den Schweizer Theologinnen viel lernen konnte; denn bis dahin war der durch meine DDR-Sozialisation geprägte Fokus doch mehr auf Möglichkeiten und Bedingungen einer stärkeren Teilhabe von Müttern auf dem Arbeitsmarkt gerichtet, als sich systemisch mit der unbezahlten Sorgearbeit zu befassen.

Was Frau von Schweitzer unglaublich freuen würde?
Dass viele ihrer und meiner Schülerinnen heute in verantwortungsvollen Positionen in der Wissenschaft, der Politik, in den Medien, in Landes- und Stadtverwaltungen oder im Schuldienst tätig sind und unsere Denkungsart und damit verbundene Fachinhalte profund weitertragen. Darüber, dass die Zeitverwendungserhebung, an deren Konzipierung Frau von Schweitzer Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre federführend beteiligt war, jetzt endlich gesetzlich verankert werden soll, um Familien- und Hausarbeit sichtbar zu machen und den Gender Care Gap in Zukunft regelmäßig zu ermitteln. Freuen würde sie sich auch darüber, dass im Anschluss an eine Sendung des Philosophen und Wissenschaftsjournalisten Prof. Gert Scobel in 3sat zum Thema „Geschäfte mit dem Haushalt“ die produktive Zusammenarbeit mit der Theologin und Publizistin Dr. Ina Praetorius rund um das Thema „Wirtschaft ist Care“ zwischen uns wiederbelebt worden ist. Schließlich darüber, dass es inzwischen zwei Gleichstellungberichte der Bundesregierung gibt, die mehr Anerkennung und Zeit für Familie ebenso nachdrücklich empfehlen wie die Neubewertung und Aufwertung von Sorgeberufen unter Einschluss von hauswirtschaftlichen und haushaltsnahen Dienstleistungen.

Und schließlich, dass es mit dem Deutschen Hauswirtschaftsrat seit 2016 einen Dachverband für die Organisationen und Verbände der Hauswirtschaft mit Sitz in Berlin gibt, aber auch ein Equal Care Manifest, das hauswirtschaftliche Argumente ganz selbstverständlich aufgenommen hat.

Sehr verärgert und erzürnt wäre sie allerdings über
 die veränderte Denomination, also die explizite Bestimmung der Arbeitsgebiete in der Nachfolge „unseres Lehrstuhls“. Indem sich der Fachbereich dazu entschieden hat, trotz der hohen Reputation, der dieser Lehrstuhl über mehrere Jahrzehnte republikweit und im Ausland innehatte, nur noch Verbraucherforschung anzubieten, wurde eine empfindliche strukturelle Engführung vorgenommen: Damit sind Kernthemen der Privathaushalte als Basiseinheit unserer Gesellschaft, als Arbeitsort von Frauen oder gendersensible Fragen zum Verhältnis von unbezahlter und bezahlter Carearbeit entlang des Lebensverlaufs nicht mehr Gegenstand von Forschung und Lehre – was für ein Jammer. Eine ehemalige Mitarbeiterin von Frau v. Schweitzer, Oberstudienrätin Petra Hartmann, heute tätig als Laufbahnberaterin an einer gewerblich-technischen Berufsschule im Wetteraukreis schrieb mir dazu kürzlich überaus treffend: „Und nun habe ich mir unseren alten Fachbereich auf der Uni-Homepage einmal angeschaut und stelle mir die Frage, was aus Ihrer Professur geworden ist?!

Haben die Herren tatsächlich nur drei Professor*innengenerationen mit diesem Forschungsschwerpunkt aushalten können oder habe ich da etwas übersehen?! “

Frau v. Schweitzer hätte es in der ihr eigenen klaren Sprache kommentiert. Ich höre sie sagen: „Ein kapitaler Fehler! Aber gegen menschliche Dummheit ist noch kein Kraut gewachsen.“ Ich würde sie in den Arm nehmen und ihr sagen: „Aber die ‚haushälterische Denkungsart à la von Schweitzer‘, die Sie gesät und die auch ich weiterentwickelt und weitergegeben habe, wird an vielen anderen Orten, wo unsere Schülerinnen heute Verantwortung tragen und als Multiplikator*innen tätig sind, aufgehen, darauf können wir immerhin setzen.“

Und mit Ina Praetorius wünsche ich mir, dass die kritische Haushaltswissenschaft postpandemisch einen gewaltigen Aufschwung erlebt, und dass sie sich mit all den Menschen verbündet, die für einen nachhaltigen Paradigmenwechsel im ökonomischen Denken und Handeln streiten: mit der Care-Revolution, der Initiative „Care.Macht.Mehr“, dem Equal Care Day, Der Siebten Schweizer Frauen*synode, dem Verein WiC (Wirtschaft ist Care), dem europäischen Netzwerk WIDE (Women in Development Europe), dem CareSlam, dem Bayerischen Forschungsverbund ForGenderCare, der US-amerikanischen Caring Economy Campaign, dem Schweizer Frauen*streik und vielen anderen, die mit uns unterwegs sind. Rosemarie von Schweitzer wäre, wie Ina Praetorius in ihrem Nachruf schreibt, in der Tat „mit Begeisterung“ dabei.

Frau Professorin Rosemarie von Schweitzer lebte in den letzten Jahren in ihrer ganz eigenen Welt, ausgelöst durch eine fortschreitende demenzielle Erkrankung. Dass ihre Angehörigen, Freunde und ehemalige Kolleg*innen sie in ihrer Wohnung im Kättergrund 4 in Pohlheim-Garbenteich dennoch jederzeit gut versorgt wussten, geht in allererster Linie auf die ebenso zugewandte wie aufopferungsvolle Rundum-Präsenz ihrer polnischen Betreuerin Johanna zurück. Jahrelang keinen geregelten Arbeitstag und kaum Urlaub zu haben, gehört zu den Schattenseiten dieser Art von Pflegesettings in Deutschland. Für Frau von Schweitzer wäre das ein Anlass gewesen, daraus ein großes Forschungsprojekt zu den Perspektiven menschenwürdiger Arbeitsbedingungen für Hausangestellte zu beantragen. Sie würde die richtigen Fragen stellen, so wie sie mit Biss und Temperament gegen die mangelhafte Alltagstauglichkeit neoliberal verschlankter Krankenhäuser und Pflegeheime zu Felde gezogen war, als sie ihren Freund und Kollegen Hermann Schubnell in seinen letzten Lebensmonaten fürsorglich begleitet hat.

Rosemarie von Schweitzer, die Grande Dame der Haushaltswissenschaften, eine starke, streitbare und liebenswürdige Persönlichkeit, fehlt uns. Wir werden sie in wertschätzender Erinnerung behalten.

Prof. Dr. sc. oec. Uta Meier-Gräwe

Freiburg, den 3. Oktober 2020, Tag der Deutschen Einheit

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