Hauswirtschaftliche Leistungen müssen gesellschaftlich und finanziell aufgewertet werden!
Positionspapier der Landfrauen im Bayerischen Bauernverband.
Ausgangslage
In den letzten Jahren ist die Zahl pflegebedürftigen Personen stark angestiegen, auf derzeit 4,1 Millionen Menschen in Deutschland. Ursache ist hier einerseits der demografische Wandel, anderseits der seit 2017 weiter gefasste Pflegebedürftigkeitsbegriff, der nun in Pflegegraden von 1 bis 5 geregelt wird, statt wie bisher in 3 Pflegestufen.
Vier von fünf Pflegebedürftigen wurden Ende 2019 zu Hause betreut, und zwar überwiegend von den Angehörigen alleine oder in Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten.
Dies ist dem Wunsch vieler alter Menschen geschuldet, ihren Lebensabend möglichst lange in den eigenen vier Wänden verbringen zu können.
Mit Beginn der Pflegebedürftigkeit, gerade bei dementen Personen, stehen hier hauswirtschaftliche Leistungen im Vordergrund, wie die Bereiche Ernährung und Nahrungszubereitung, Reinigung und Hygiene und die Versorgung mit Wäsche und Bekleidung. Soweit sie nicht von Angehörigen geleistet werden können, gehören diese Leistungen in die Hände professioneller hauswirtschaftliche Fachkräfte, um die private Daseinsvorsorge in den eigenen Wohn- und Lebensbereichen sicherzustellen.
Erst mit zunehmenden Pflegegraden kommen pflegerische Leistungen hinzu.
Auch im stationären Pflegebereich ist eine fachgerechte Pflege ohne hauswirtschaftliche Leistungen undenkbar: Keine Pflege ohne altersgerechte Mahlzeiten, ohne gereinigte Krankenzimmer, ohne saubere (Bett-)Wäsche.
Hauswirtschaft und Pflege sind weiblich – mit allen Konsequenzen
Im Jahr 2020 lag der Frauenanteil in Pflegeberufen bei rund 83 Prozent. Im Bereich Hauswirtschaft lag der Frauenanteil an den Auszubildenden in den Jahren 1992 bis 2019 bei 86,6 Prozent.
Steigende berufliche Anforderungen und Veränderungen in der eigenen Biographie (z. B. Geburt von Kindern, Pflegebedürftigkeit von Angehörigen) führen nach wie vor dazu, dass es überwiegend Frauen sind, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen oder komplett aus dem Erwerbsleben ausscheiden. In der „erwerbsfreien“ Zeit leisten Frauen pro Tag im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit (Care-Arbeit) als Männer (Gender Care Gap). Die Teilzeitquote in der Pflege liegt im Durchschnitt bei 49,4 Prozent, bei Hauswirtschafterinnen bei 77,3 Prozent.
Die in Teilzeit- und eher schlecht bezahlten Pflege- und Hauswirtschaftsberufen von Frauen erwirtschafteten niedrigen Einkommen führen häufig zu niedrigeren eigenständigen Alterssicherungsansprüchen und damit in vielen Fällen in die Altersarmut.
Keine gesellschaftliche Anerkennung der Hauswirtschaft
In der Gesellschaft wird Hauswirtschaft als eigenständige vollwertige Arbeit nicht anerkannt. Vielmehr bleibt sie den Familien selbst oder dem Schwarzmarkt überlassen. Hauswirtschaftliche Tätigkeiten gelten immer noch als minderwertige Tätigkeiten und werden in Verbindung mit unqualifizierter Arbeit gesehen.
Hauswirtschaftliche Tätigkeiten gelten – gemessen an ihrer Bedeutung für die Gesellschaft – als wenig attraktiv, dies zeigt die unterdurchschnittliche Bezahlung:
Das durchschnittliche Jahreseinkommen einer Hauswirtschafterin liegt bei 20.396,69 €. Daraus ergibt sich ein monatlicher Bruttolohn von ca. 1.699,72€ und ein Stundenlohn von 11,21€.
(Zum Vergleich: Der derzeitige Mindestlohn liegt bei 9,60 €.)
In der Pflege liegt der Stundenlohn etwas höher bei durchschnittlich 14,22 € für eine Gesundheits- und Krankenpflegehelfer*in.
Hauswirtschaft und Pflege auf Augenhöhe
Egal ob im stationären oder ambulanten Bereich: Pflege kann nur in Verbindung mit hauswirtschaftlichen Versorgungsleistungen funktionieren.
Je nach den beiden oben genannten Settings verändern sich die Anforderungen an die hauswirtschaftlichen Leistungen und weiten sich gerade im ambulanten Bereich bei zunehmender Pflegebedürftigkeit weiter aus. Im Gegensatz dazu folgen die pflegerischen Leistungen in allen Settings einer Systematik.
Der Deutsche Hauswirtschaftsrat und der Deutsche Pflegerat haben deshalb 2020 die unterschiedlichen Anforderungen, Leistungen und Qualifikationen von Hauswirtschaft und Pflege in den unterschiedlichen Settings ausführlich zusammengefasst (Siehe:
Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Bekämpfung von Schwarzarbeit
Im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP wird ein Zulagen- und Gutscheinsystem für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen in Aussicht gestellt („Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ – Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP, Zeile 2340 ff). Durch diese Zuschüsse könnten Familien und hier vor allem Frauen entlastet, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und verbessert und damit der Gender Care Gap verringert werden.
Zudem können diese Zuschüsse legale Angebote an haushaltsnahen Dienstleistungen stärken und die weitverbreitete Schwarzarbeit in den Haushalten bekämpfen.
Mehreinnahmen bei Steuer und Sozialversicherung stehen den Kosten dieser Zuschüsse gegenüber.
Unsere Forderungen
- Hauswirtschaft muss als reguläre, professionelle Erwerbsarbeit gesellschaftlich anerkannt werden.
- Gute Ansätze wie die Fortbildung zur Fachhauswirtschafterin müssen wieder aufgegriffen und entsprechend honoriert werden.
- Die Aus- und Fortbildung in der Hauswirtschaft muss sich finanziell lohnen.
- In der Hauswirtschaft muss es attraktive und gut bezahlte Aufstiegsmöglichkeiten geben.
- Das im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung angekündigte Zulagen- und Gutscheinsystem für die Inanspruchnahme für haushaltsnahe Dienstleistungen muss in der aktuellen Legislaturperiode umgesetzt werden.
Quellen:
- https://de.statista.com/themen/785/pflege-in-deutschland/
- https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1029877/umfrage/verteilung-von-pflegekraefte-in-deutschlandnach-pflegeart-und-geschlecht/
- https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36285/umfrage/frauenanteil-bei-auszubildenden-in-derhauswirtschaft-seit-1992/
- https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/gender-care-gap/indikator-fuer-diegleichstellung/gender-care-gap-ein-indikator-fuer-die-gleichstellung-137294
- https://www.steuerklassen.com/gehalt/hauswirtschafterin/#datensaetze
- https://www.steuerklassen.com/gehalt/gesundheits-und-krankenpflegehelfer/
- https://www.hauswirtschaftsrat.de/download/2021-09-13Wahlpruefsteine-DHWiR-Begruendung.pdf
Download des Positionspapiers “Pflege ohne Hauswirtschaft nicht möglich”
Am 30. März 2022 findet in Bogen eine Präsenz-Veranstaltung statt, die sich dieser Thematik widmet.